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28 days later

Fast schon ein wenig verschämt bin ich am Nationalfeiertag in Genf wieder in einen Zug eingestiegen, nachdem ich die vorangehenden vier Wochen keinerlei technische Hilfsmittel für meine Fortbewegung in Anspruch genommen habe (ok, den einen oder anderen Hotel-Lift wollen wir hier mal ausklammern). Ich kann für mich also in Anspruch nehmen, den gesamten Weg von Winterthur nach Genf zu Fuss absolviert zu haben – mitsamt allen Extraschlaufen. Ein wenig stolz darauf bin ich schon, das geschafft zu haben.

Es bleibt mir nun, ein Fazit zu ziehen! Naturgemäss kann dieses nicht all meine Erlebnisse abbilden, aber zumindest einige Erkenntnisse wiedergeben, die ich auf meiner Tour gewonnen habe. So let’s go.

Die Schweiz – das unbekannte Land Ich habe ja immer geglaubt, ich kenne die Schweiz recht gut. Meine Wanderung hat dies relativiert. Ich lernte Orte kennen, deren Namen ich noch nie gehört hatte, durchwanderte Täler und Erhebungen, an die es mich wohl nicht einfach so verschlagen hätte. Keine andere Art des Reisens lässt einen eine Gegend so intensiv erleben wie diese. Und die Schweiz ist nicht nur an ihren Paradeorten wie am Vierwaldstättersee oder in Zermatt sehens- und entdeckenswert. Obwohl ich die Alpen liebe, habe ich diese auf meiner Wanderung bewusst ausgelassen, weil es ein Ziel war, die “andere” Schweiz kennenzulernen. Dieses Ziel habe ich erreicht. Doch ich habe noch längst nicht alles gesehen!

Zeit ist relativ Auf meiner Rückreise im Zug war ich fast schon irritiert darüber, wie schnell ich plötzlich wieder vorwärtskam. Das ist wenig erstaunlich, wenn man bedenkt, dass vorher Strecken wie Baden-Wohlen, Basel-Laufen oder Nyon-Genf einen ganzen Tag in Anspruch genommen haben. Gerade diese Wiederentdeckung der Langsamkeit war einer der grossen Gewinne meiner Tour. Bus- oder Zugfahrpläne, Termine oder Zeitpläne spielten keine Rolle. Das einzig Wichtige war, am Ende des Tages eine Bleibe für nächste Nacht gefunden zu haben. Gestresst in Bezug auf die Zeit fühlte ich mich eigentlich nur zwei- oder dreimal. Dort ging’s jeweils darum, rechtzeitig einem Gewitter zu entkommen.

Der Körper – mein Freund und Feind Ich habe ja fleissig über die mannigfaltigen Mätzchen geschrieben, mit denen mir mein Körper seine Belastung signalisiert hat. Dennoch: Im Stich gelassen hat er mich nicht. An zwei oder drei Morgen war ich an einem Punkt, an dem ich fürchtete, es könne nicht mehr weitergehen. Es ist aber trotzdem weitergegangen, wenn es auch etwas Überwindung kostete. Daraus ziehe ich eine weitere Erkenntnis, bei der allen Ärzten wohl die Haare zu Berge stehen würden. Ich möchte daher auch betonen, dass ich sie nicht als allgemeingültige Faustegel verstanden wissen möchte. Aber zumindest manchmal bekämpft man körperliche Wehwechen am besten, indem man sie einfach ignoriert. Hätte ich das nicht getan, wäre die Tour wohl schon nach dem ersten oder zweiten Tag zu Ende gewesen.

Schreiben hilft gegen die Einsamkeit Ursprünglich hatte ich nicht geplant, täglich von meiner Wanderung zu bloggen; ich wollte mich bewusst nicht zu sehr unter Druck setzen. Es hat sich aber schliesslich aber zum allabendlichen Ritual entwickelt, meine Erlebnisse des Tages schriftlich zu verarbeiten. Gerade an Abenden, an denen ich nicht so toll drauf war und dazu noch mutterseelenallein in irgendeiner mittelprächtigen Abstiege in einem abgelegenen Kaff weilte, half das Schreiben gegen die Einsamkeit und gegen die drohende Trostlosigkeit. Die Reaktionen auf meine Einträge, die mir bestätigten, dass meine Worte doch zumindest von den einen oder anderen mit Interesse gelesen wurden, trugen dabei auch ihren Teil dazu bei. Ich gedenke, diesen Blog auch in Zukunft weiterführen – hoffentlich auch dann, wenn mich der Alltag wieder hat. Die Themen werden sich ergeben. Und wenn mir nichts einfällt, muss ich halt bis zu meinem nächsten Wanderabenteuer warten. Denn dieses kommt bestimmt, um gleich zur letzten Erkenntnis dieses Fazits überzuleiten.

Das war’s noch nicht Oh nein, ich habe noch nicht genug! Im Gegenteil, ich bin erst richtig auf den Geschmack gekommen. Früher oder später will ich dieses Abenteuer auf jeden Fall fortführen, wenn ich die Zeit dafür finde. In welcher Form und auf welcher Strecke das sein wird, lass ich hier mal offen. Eines ist aber klar: Es gibt nach wie vor Ecken in der Schweiz, die mir völlig unbekannt sind. Und solange ich diese nicht erkundet habe, sehe ich nicht die zwingende Notwendigkeit, ans andere Ende der Welt zu fliegen – obwohl’s dort zweifellos auch besuchenswerte Orte gibt.

Natürlich möchte ich an dieser Stelle auch einen Dank aussprechen: denjenigen, die mich für eine Nacht beherbergt haben, denjenigen, die mich auf meiner Reise besucht haben und/oder sogar eine Etappe mitgewandert sind, dem Wettergott (absolutely amazing job!!) und schliesslich auch all denen, die meinen Blog mit Interesse gelesen haben – und dies vielleicht in Zukunft gelegentlich tun.

Zum Schluss noch etwas Statistik Wandertage: 27 (plus 1 Ruhetag) Gewanderte Kilometer: ca. 560 Überwundene Höhenmeter: ca. 10’500 Durchwanderte Kantone: 11 (ZH, AG, LU, SO, BL, BS, JU, BE, NE, VD, GE) Höchster Punkt: 1679 m.ü.M. (Mont Tendre) Tiefster Punkt: 273 m.ü.M. (Birs-Ufer bei Münchenstein) Längste Etappe:: ca. 32 km (Duillier-Genf) Kürzeste Etappe: ca. 5 km (Chasseron-Sainte Croix) Günstigste Übernachtung (Gratisübernachtungen ausgenommen): 50 CHF, Villiers Teuerste Übernachtung: 138 CHF, Yverdon

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