Von der Philosophie des Schenkens
- Simon Eberhard
- 24. Dez. 2013
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Feb. 2024
Ach! Weihnachten überall! Und Geschenke! Als zivilisationserprobter, urbaner Abendländer gehört es zum guten Ton, dies alles eigentlich ja ganz schrecklich zu finden. Diktatur des Kommerzes, “Süsser die Kassen nie klingeln”, Komsumwahn anstatt Nächstenliebe, furchtbar, furchtbar, furchtbar!
Ich gebe hier Gegensteuer und bekenne: Ich mag die weihnächtliche Tradition, sich gegenseitig zu beschenken. Und das bezieht sich nicht nur auf die Geschenke, die ich kriege. Genauso gerne schenke ich selbst. Leider ist die Kunst des guten Schenkens vor lauter Pflichtgefühl und Weihnachtsstress bei vielen ein wenig abhanden gekommen. Kein Wunder, dass das dann in lieblosen Weihnachts-Konsumterror ausarten kann. Dabei ist es doch in erster Linie Einstellungssache! Meine Schenkphilosophie umfasst hauptsächlich drei Aspekte (meine Familienmitglieder, denen ich damit schon seit Jahren in den Ohren liege, dürften an dieser Stelle die Augen rollen):
1. Der Schenkende wählt – nicht der Beschenkte!
“Was wünschst du dir zu Weihnachten?” – diese Frage kann bei Kindern sinnvoll sein. Diese wünschen sich eine Playstation, die sie sich mit ihrem Taschengeld nun mal nicht leisten können (die damit verbundene Frage, inwiefern es sinnvoll ist, Kinderwünsche immer zu erfüllen, sei an dieser Stelle nicht weiter diskutiert, denn sie wäre einen eigenen längeren Blogeintrag wert). Bei Erwachsenen hingegen halte ich dies für den falschen Ansatz. Denn wenn ich nicht gerade am Existenzminimum herumlaboriere und der andere ein gutbetuchter Krösus ist, ist der finanzielle Aspekt bei Geschenken oft vernachlässigbar. Wenn ich mir was wünsche, kann ich es mir schliesslich selbst kaufen. Das Schöne am Schenken ist doch gerade, Ideen zu entwickeln, sich zu überlegen, worüber sich der andere freuen könnte! Klar, das ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Doch je besser ich den anderen kenne, desto kleiner ist das Risiko. Mit der Was-wünschst-du-dir-Frage oder einem Einkaufsgutschein hingegen delegiere ich die Aufgabe, sich etwas auszusuchen, an den Beschenkten. Das ist schade – und führt mich auch gleich zu Punkt 2.
2. Zeit ist Geld – oder sogar noch mehr!
Personen, die ich gerne habe und die mir etwas bedeuten, sind mit Zeit oftmals besser beschenkt als mit Geld. Und zwar mit meiner Zeit. Sei es mit der Zeit, die ich darin investiere, mir etwas Schönes auszudenken. Oder sei es mit gemeinsamer Zeit als eigentliches Geschenk: beispielsweise im Rahmen eines Nachtessens oder eines Kino- oder Theaterbesuches. Die eigene Zeit ist eines der schönsten Geschenke, die ich einem anderen Menschen geben kann. Man mag an dieser Stelle einwenden, dass Weihnachten dafür doch nicht nötig sei, schliesslich sei dies 365 Tage im Jahr möglich. Nun, der Einwand ist tatsächlich berechtigt. Nur: Im Alltag geht solcherlei nur zu gerne mal vergessen. Das “Fest der Liebe” ist für mich so auch ein Anlass, mich darauf zu besinnen, was mir im Leben wichtig ist – und mit welchen Menschen ich das teilen möchte. Und damit zu Punkt 3 meiner Schenkphilosophie.
3. Persönlich währt am längsten!
Ich verschenke mit Vorliebe Dinge, zu denen sowohl ich selbst als auch der Beschenkte einen persönlichen Bezug haben. Zu vermeiden versuche ich hingegen Geschenke, zu denen zwar der Beschenkte einen Bezug hat, ich jedoch nicht (das “Ich-habe-gehört-das-findet-er-gut”-Syndrom), genauso wie Geschenke, bei denen es sich umgekehrt verhält (das “Ich-schenk’s-mir-eigentlich-selbst”-Syndrom.). Wobei im letzteren Fall die Grenzen fliessender sind: Denn etwas zu schenken, das ich selbst toll finde und von dem ich überzeugt bin, dass es auch der Beschenkte gut findet, zeugt von Menschenkenntnis und Selbstvertrauen. Und das ist die Grundlage für ein gutes Geschenk. Wobei wir wieder bei Punkt 1 wären: Gutes Schenken erfordert die Bereitschaft, auszuwählen. Und einen gewissen Mut, ein Risiko einzugehen.
Natürlich: Oben skizziere ich den Idealfall. In der Realität sieht es manchmal anders aus. Ich will gar nicht leugnen, dass auch meinereiner in der Hetze der Last-Minute-Geschenkbeschaffung nicht immer die originalitätstriefendsten Ideen hatte. Zumal es im Laufe der Jahre nicht einfacher wird. Nicht jedes meiner Geschenke erfüllt die obigen Kriterien in allen Punkten. Aber niemand ist perfekt, ich (leider) auch nicht!
Kommt hinzu, dass obige Regeln nur für wirklich nahestehende Freunde gelten. Für oberflächlichere, weniger tiefe Freundschaften oder Geschäftsbeziehungen, denen gegenüber man einfach seine Wertschätzung ausdrücken möchte, reicht ein Allerweltsgeschenk vom Typ “Wein”, “Einkaufsgutschein” oder “Pralinenbox” völlig aus. Ja, es ist hier sogar wohl die bessere Wahl. Denn da geht es um die Aufmerksamkeit als solche, der Inhalt des Geschenkes ist von untergeordneter Bedeutung. Originalität kann hier schlimmstenfalls eine irritierende Wirkung haben, weshalb man sie sich lieber für die guten Freunde aufspart.
In diesem Sinne wünsche ich allen Schenkenden und Beschenkten eine frohe Bescherung!

Kommentare